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Leistungsbericht 2023
Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft tritt dafür an, bezahlbare und zugleich klimagerechte Wohnungen zu bauen und zu erhalten. Dieser Spagat ist aufgrund der aktuellen bauwirtschaftlichen Situation, nicht zuletzt aber wegen der politischen Rahmensetzungen derzeit kaum noch umsetzbar. Weshalb das so ist, wollen wir Ihnen im Folgenden zeigen.
Politik als Hemmnis
Ein Beispiel dafür, wie Politik zuweilen ihre eigenen Ziele zu konterkarieren droht, ist das Gebäudeenergiegesetz (GEG). Bis 2045 soll der Wohnungsbestand klimaneutral beheizt werden. Das GEG schafft dazu die Grundlagen. Wenn kommunale Wärmepläne vorliegen, dürfen demnach nur noch Heizungen eingebaut werden, die zu mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen.
Wie hoch die Investitionen sind, die durch diese Regelung potenziell ausgelöst werden, veranschaulicht folgendes reale Beispiel einer Wohnungsgenossenschaft aus Nordrhein-Westfalen:
3.520,35
117.345
29,3
Die Investition in Wärmepumpen würden beinahe das gesamte Eigenkapital der Beispielgenossenschaft aufbrauchen. Der Rechnung liegen von unserem Bundesverband GdW ermittelte Investitionskosten von 250 Euro pro Quadratmeter für die Installation von Wärmepumpen im Bestand zugrunde. Eine staatliche Förderung ist nicht einberechnet. Energetisch modernisiert sind die Wohnungsbestände nach dieser Kalkulation übrigens nicht.
Genau dieses schlüssige und auf Dauer angelegte Förderkonzept fehlt im GEG. Für Wohnungsgenossenschaften und -unternehmen ist eine höchstens 30-prozentige Förderung vorgesehen. Kosten für die Heizungsinstallation werden auf höchstens 50 Cent pro Quadratmeter gedeckelt. Diese Rechnung geht nicht auf und zehrt am Eigenkapital der sozial orientierten Wohnungswirtschaft.
Beispiel EU-Gebäuderichtlinie
Auf dem Weg, Eigentümerinnen und Eigentümer zu Gebäudesanierungen zu zwingen, ist die Europäische Union. In der EU wird derzeit die Gebäuderichtlinie diskutiert. Der im Vergleich zum Parlamentsentwurf noch gemäßigere Vorschlag der EU-Kommision sieht vor, bis 2033 die energetisch schwächsten 30 Prozent der Wohngebäude auf den sogenannten Effizienzstandard E zu sanieren.
Berechnungen des GdW Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen zufolge würde dies für die sozial orientierte Wohnungswirtschaft bundesweit Investitionen von bis zu 20 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten. Schon ohne die vorige Rechnung zum GEG sind die Eigenmittel dazu schlicht nicht vorhanden.
Doch selbst wenn das Eigenkapital aufzutreiben wäre: Um die wirtschaftliche Stabilität auch eines sozial orientierten Unternehmens zu gewährleisten, bedarf es Einnahmen, welche die Investition refinanzieren – sprich, die Miete muss in aller Regel nach der Sanierung in einem gewissen Umfang erhöht werden. Das aber können sich viele Menschen nicht leisten, weshalb eine bedarfsgerechte Förderung unabdingbar ist.
Das Marktumfeld: der perfekte Sturm
Die Baupreise für den Neubau von Wohngebäuden ist in den vergangenen zwei Jahren um 40 Prozent gestiegen, die Zinsen für Wohnungsbaukredite haben sich innerhalb von zweieinhalb Jahren zum Teil vervierfacht. Günstiges Bauen und Sanieren ist so im Grunde unmöglich.
Die Krise schlägt sich bereits in der Jahresstatistik 2022 der VdW-Mitglieder nieder. Erstmals seit Jahren stagniert die Summe der Investitionen, allerdings immer noch auf hohem Niveau: bei etwa vier Milliarden Euro.
Investitionen 2019 bis 2022 in Mrd. Euro
Dass die Zeiten gerade für den Wohnungsneubau schwierig ist, erkennt man auch an den Abrufzahlen der NRW-Wohnraumförderung 2022 durch unsere Mitglieder, auf die insgesamt 40 Prozent der geförderten Wohnungen zurückgehen. Denn mehr als 70 Prozent dieser Wohnungen werden aus den Modernisierungsmitteln gefördert.
Auch hier spiegeln sich die Baukosten wider: Zwischen 2018 und 2022 sind die Kosten für den Neubau einer geförderten Wohnung laut NRW.BANK von 2.790 Euro pro Quadratmeter auf 4.172 Euro pro Quadratmeter gestiegen.
Nun sind die geförderten Wohnungen im Mietpreis gebunden. Ohne diese Mietpreisfestlegung müsste ein Neubau aktuellen Berechnungen des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen zufolge aufgrund der Baupreis- und Zinssituation zu 18,10 Euro pro Quadratmeter vermietet werden, will man eine stabilitätssichernde Rendite von 3,5 Prozent erwirtschaften. Aus Sicht der sozial orientierten Wohnungswirtschaft kann dieser Mietpreis für weite Teile der Bevölkerung nicht als bezahlbar gelten.
Die Wohnkostenbelastung steigt
Schon ohne die Mehrausgauben fürs Heizen und für Strom liegt die Wohnkostenbelastung, die anhand der Bruttokaltmiete bestimmt wird, in NRW laut Mikrozensus 2022 bei 28,9 Prozent und damit höher als im Bundesdurchschnitt. Doch entscheidend für die steigenden Wohnkosten sind derzeit die Energiepreise. Als Effekt der Energiepreiskrise haben sich laut Öko-Institut in allen Einkommensgruppen die Kosten für Wärmeenergie im Jahr 2022 gegenüber 2021 verdoppelt.
Auch bei den Mieterinnen und Mietern der VdW-Mitglieder sind die Vorauszahlungen für Heizkosten gestiegen: von 94 Cent auf 1,28 Euro pro Quadratmeter. Gleichzeitig zeigt sich, dass die sozial orientierte Wohnungswirtschaft deutlich günstigere Nettokaltmieten als der Marktdurchschnitt anbietet.
Mietpreisentwicklung 2019 bis 2022 in Euro/qm
Unsere Schlussfolgerungen für bezahlbares klimaneutrales Wohnen
Die derzeitge Gesetzgebung auf Bundes- und EU-Ebene droht die sozial orientierte Wohnungswirtschaft zu überfordern. Im Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands ist sich der VdW Rheinland Westfalen mit der Politik einig. Doch muss dieses Ziel auch zu bezahlbaren Mieten erreicht werden – und ohne die wirtschaftliche Stabilität von kommunalen, kirchlichen und privaten Wohnungsnunternehmen und Wohnungsgenossenschaften zu gefährden.
Auf der Jahrespressekonferenz am 12. September 2023 konstatierte VdW-Verbandsdirektor Alexander Rychter: „Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft ist in ihrem unternehmerischen Handeln massiv eingeschränkt. Die Folgen von Heizungsgesetz, EU-Gebäuderichtlinie und anderen Vorgaben im Rahmen von Energiewende und Klimaschutz sind finanziell nicht umsetzbar. Wohnungsbestände zu dekarbonisieren und gleichzeitig Mieten bezahlbar zu halten, ist derzeit so gut wie nicht zu schaffen.“
Deshalb erklärt der Verband:
- Es bedarf eines verlässlichen und auskömmlich finanzierten Fördersystems für den Heizungstausch.
- Mieterhaushalte und Wohnungswirtschaft dürfen bei der Förderung nicht benachteiligt und damit zu Verlierern der Energie- und Wärmewende gemacht werden.
- Eine Harmonisierung von GEG, BEG-Förderung sowie Wärmeplanungsgesetz ist zwingend notwendig.
- Eine ausreichende Förderung muss gesetzlich für mindestens zehn Jahre garantiert werden. Ohne bedarfsgerechte Förderung sind die Wohnungsunternehmen und
-genossenschaften nicht handlungsfähig. - Quartiersansatz statt technischer Sanierungszwang: Die EU-Gebäuderichtlinie muss mit nationaler Gesetzgebung verzahnt werden – energetische Gebäudesanierung und Austausch der Heizungen müssen aufeinander abgestimmt sein.
Ohne praxisorientierte Politik wird es kein bezahlbares klimagerechtes Wohnen geben können.
Zu den Folien, Grafiken und anderen Materialien der Jahrespressekonferenz 2023 des VdW Rheinland Westfalen:
Mitglieder des VdW in Nordrhein-Westfalen und dem nördlichen Rheinland-Pfalz
Zu den 477 Mitgliedern des VdW Rheinland Westfalen zählen 322 Wohnungsgenossenschaften, 77 kommunale/öffentliche Wohnungsunternehmen, 57 industrieverbundene/private bzw. kirchliche Wohnungsunternehmen und 21 Fördermitglieder.